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Sekundärdsymptomatik bei Dyskalkulie

 

Die psychosoziale Situation

Die Bedeutung entwicklungspsychologischer Aspekte für die Entstehung klinisch psychologischer Symptomatik wird heute allgemein betont: „Psychische Störungen im Kindes- und Jugendalter sind vor dem Hintergrund von Reifungs- und Entwicklungsprozessen in ihrem Wesen und in ihrem Verlauf vielmehr sehr verschieden und erfordern in vieler Hinsicht auch grundsätzlich andere Herangehensweisen.“ [2] Der enge Zusammenhang von umschriebenen Entwicklungsstörungen und psychischen Auffälligkeiten wird dabei von vielen Autoren (vgl. Fritz & Stratmann 1994; Betz & Breuninger 1987; Grissemann 1990) betont. In einer Studie fand Esser (1991) bei 46% der Kinder mit Lernstörungen psychiatrische Auffälligkeiten.

Lernstörungen lassen sich dabei sowohl als Folge als auch als Ursache von Verhaltensauffälligkeiten erklären (Fritz & Stratmann 1993). Die Annahme, dass Ängste, Depressionen und daraus abweichendes Lernverhalten die kognitive Entwicklung beeinträchtigen, ist also ebenso unumstritten wie die Tatsache der sekundären Neurotisierung als Folge von Lernstörungen und den daraus resultierenden Versagenserlebnissen. Der besondere Stellenwert von Lernstörungen im Kindesalter für die Beeinträchtigung der seelischen Gesundheit wird durch viele Studien belegt. In einer Untersuchung zu Therapiemisserfolgen in der Legasthenietherapie fand Brunsting-Müller (1993), dass die Problembewältigungsstrategien des Kindes und die Reaktion des sozialen Umfeldes größeren Einfluss auf den Therapieerfolg haben als Intelligenz oder Sprachbegabung.

Von einer sekundären Neurotisierung als Reaktion auf Lernstörungen kann man sprechen, wenn sich die in Selbstbild und Verhalten zeigende psychiatrische Symptomatik auf die Lernstörung direkt oder indirekt zurückführen lässt. Die Entstehung reaktiver Depressionen und der Entwicklung damit verbundener, immer weiter generalisierter Ängste und psychosomatischer wie psychomotorischer Beeinträchtigungen aus kognitiven sowie psychosozialen Prozessen kann auf die Rechenschwäche zurückgeführt werden. Dabei scheint es sich bei den Verursachungsfaktoren um einen äußerst umfassenden Bedingungskomplex aus sozialen, emotionalen und kognitiven Faktoren zu handeln. Diese Aspekte können als Mediatoren der Störungsentstehung aufgefasst werden. Der Symptomkomplex psychiatrischer Auffälligkeiten rechenschwacher Kinder umfasst Ängste, depressive Symptomatik, somatoforme Störungen sowie daraus resultierende Verhaltensauffälligkeiten. 

 

Psychosoziale Faktoren

Ängste, Kontrollverlust und allgemeine Niedergeschlagenheit werden durch das Verhalten der Bezugspersonen mit ausgelöst. Strafen, Überforderung, Bloßstellen, elterliches Leiden usw. tragen zur Entwicklung von Ängsten, einem negativen Selbstbild und zur Entwicklung von Vermeidungs- und Kompensationsstrategien in erheblichem Maße bei. Auf Seiten der Lehrer finden sich häufig verkürzte Kausalattribution, die auf die Person („schlechter Schüler“, „unwillig“, „faul“, „unkonzentriert“, „weniger begabt“ etc.) zielen. Eine daraus resultierende resignative Haltung, die sich in der Schonung des Kindes ausdrückt, kann sich auf die Attributionen sowie auf sein Selbstbild auswirken („Bin ich eben doof“). Reagieren die Lehrer durch zusätzliche Förderung, geht die gutgemeinte Hilfe – gerade bei an Dyskalkulie leidenden Kindern – häufig vorbei (vgl. Grissemann 1990) und kann zur seelischen Belastung für die Kinder werden. Die Mitschüler sind in der schulischen Situation weitere Belastungsfaktoren. „Der Schüler erlebt sich in einer Vergleichssituation mit Gleichaltrigen unterlegen.“ Extrinsische Leistungsmotivation, also Leistungserfolg im Vergleich („Die anderen können das doch!“), kann in Verbindung mit kindlichem Konkurrenzverhalten, das sich z.B. in Hänseleien ausdrückt, zur sozialen Isolierung des rechenschwachen Kindes führen. Für die Entwicklung von Neurotisierungssymptomen ist auch die familiäre Situation bedeutsam. Eltern, die vor das Problem des Schulversagens des eigenen Kindes gestellt sind, befinden sich in einer schwierigen psychosozialen Situation. „Die Eltern reagieren darauf mit Besorgnis, verstärken ihre (insuffizienten) Trainingsbemühungen mit zunehmender häuslicher Spannung, erhöhen ihre Überfürsorge oder brandmarken das Kind als schwarzes Schaf.“

Erklärungsversuche bleiben bei verkürzten Kausalattributionen und Schuldzuweisungen stehen. Die belastende Frage: „Was habe ich falsch gemacht?“, die häufig mit heftigen Schuldgefühlen verbunden ist, wird ergänzt durch Schuldzuweisungen an die Lehrkraft. Die aus der Schuldfrage erwachsene psychische Belastung der Eltern kann Schuldgefühle beim Kind erwecken, die zum Problem des Schulversagens hinzukommen. Schuldzuweisungen an die Lehrkraft können Spannungen zwischen Elternhaus und Schule hervorrufen und somit die Situation des Kindes weiter beeinträchtigen. Auf das Kind gerichtete Erklärungsversuche, die sich hauptsächlich um die Frage der Veränderbarkeit drehen, führen häufig zu resignativen Begabungszuschreibungen, die sich der verkürzten Kausalkette „Keine Leistung – also unbegabt.“ verdanken. Der daraus erwachsene Glaube an die Unabänderlichkeit des Schicksals lässt Förderung als wenig sinnvoll erscheinen, das Kind wird als dumm stigmatisiert, die Situation akzeptiert. Die umgekehrte Verwendung des Begabungsbegriffes kann sich als ebenso verhängnisvoll erweisen. Eltern halten gerade ihr Kind für doch eigentlich „intelligent“, wobei der in diesem Zusammenhang fragwürdige Begriff der Intelligenz als quasi genetisch festgelegte Determinante zur Begründung für die Leistungen herhalten soll, andererseits diesen in dem Fall des eigenen Kindes gerade widersprechen soll. Wenn Eltern also an dem Begabungsbegriff festhalten, andererseits Minderbegabung bei ihrem Kind nicht attestieren wollen, besteht die Gefahr, dass die Attribution auf das „Wollen des Kindes“, also seine Motivation, letztlich sein Wohlverhalten verlegt wird. Das Kind ist „schuld“, wird gestraft statt gefördert und erlebt neben dem schulischen Versagen das moralische.

 

Das Selbstbild

Kinder können über ihr Denken weniger Auskunft geben und dieses schlechter verbalisieren. Dennoch sind auch Kinder in der Lage, ein ausgeprägtes Selbstbild zu entwickeln. Für die Beschreibung kindlicher Kognitionen, die zu klinischer Symptomatik beitragen können, scheint die kognitive Theorie der Depression von Beck (1967) nützliche Hinweise zu geben. Die „negative Triade“ beinhaltet die Beurteilung der eigenen Person, der Umwelt und der Zukunft.

Die Beurteilung der Zukunft ist von Kindern im Grundschulalter nicht im einzelnen zu leisten, jedoch stellt sich ihnen ein diffuses Bild möglicher Bedrohungen dar, die nicht kontrollierbar erscheinen. Die Kombination des Erlebens der eigenen Verantwortlichkeit für die Schulleistung mit der Erkenntnis, dass sowohl Erfolg als auch Misserfolg unabhängig von der eigenen Anstrengung sind, führt zur Herausbildung der „erlernten Hilflosigkeit“ im Sinne von Seligmann (1974). Die Zukunft scheint nicht zu bewältigen, die Erwartung stetig neuen Versagens trägt zu einer negativen Sicht der Zukunft und zur Herausbildung von Ängsten bei.

Das Erleben und Beurteilen der Umwelt kann auf verschiedene Art und Weise die Psyche des Kindes belasten. Zunächst kommt es besonders von Mitschülern und Geschwistern aufgrund der Vergleichs- und Konkurrenzsituation zur Zuschreibung von Minderwertigkeit („Du bist ja sowieso dumm!“) und zur Ausgrenzung. Dieses Verhalten wird durch abwertendes und isolierendes, teilweise auch direkt aggressives Verhalten begleitet. Auch wenn es von Erwachsenenseite zu solch direkt abwertendem Verhalten seltener kommt, so kann doch indirekt auch gutgemeintes Verhalten das Selbstbild des Kindes weiter beeinträchtigen. Von Seiten des Lehrers kann neben ärgerlichen und abweisenden Reaktionen auch das spezielle Fördern neue Misserfolgserlebnisse bereiten, das Schonen des Kindes im Unterricht zu einem Gefühl der Isoliertheit oder des Aufgegeben-Worden-Seins führen. Erwartungen, Hoffnungen und Ängste der Eltern spiegeln sich in dem Verhalten gegenüber dem Kind wider und können dessen Situation verschärfen. Die Lehrerin „ist doof“, die Mitschüler, das Schulfach oder die Schule und das Elternhaus im allgemeinen werden als feindlich und bedrohlich erlebt, sodass Kognitionen über die scheinbar feindliche Umwelt mit den Attributen der Unbeherrschbarkeit und Feindseligkeit entstehen. Das Selbstkonzept des rechenschwachen Kindes beinhaltet also bezüglich der eigenen Person Verantwortlichkeit für das Scheitern, Bewusstsein für das eigene Versagen und das Gefühl der Minderwertigkeit – und im Bezug auf die Umwelt sowie die Zukunft – die Erwartung diffuser Bedrohung wie unkontrollierbaren Versagens.

Dass Angstempfindung zur Normalität des Schulalltags gehört, wird im Rahmen der klinischen Psychologie akzeptiert. So betonen Schneider u.a., „dass Ängste im Kindes- und Jugendalter zum normalen Entwicklungsprozess dazugehören“ (1993, S. 213). „Bei Sieben- bis Zehnjährigen beziehen sich die Ängste immer häufiger auf die Schule, auf mögliches und vermeintliches Versagen und auf negative Bewertung durch andere...“ (ebd.). Insbesondere bei Schülern mit Lernstörungen ist ein erhöhtes Angstniveau zu beobachten. Die Entwicklung von Ängsten bei rechenschwachen Schülern wird sich zunächst auf direkt angstauslösende Situationen und Personen beziehen und ist dann von immer weiteren Generalisierungen begleitet. Dies sind zunächst Prüfungssituationen im Fach Mathematik, als Person die Lehrkraft. Während die Angst vor Prüfungssituationen im Fach Mathematik sich zunächst auf den gesamten Lernbereich Mathematik, dann auf die Schule und jegliche Prüfungssituationen erstrecken kann, können Sozialphobien sich je nach der Reaktion des Umfeldes auf Mitschüler, andere Lehrer, Eltern, Geschwister und Freunde erstrecken. Im ungünstigsten Fall kann sich die soziale Angst auf jedwede soziale Kontakte und die Schulphobie auf andere Situationen generalisieren.

Die Bedeutsamkeit von Entwicklungsaspekten für die Depression im Kindesalter zeigt sich an der Symptomatik, die der von Kindern mit Lernstörungen ähnelt. Altherr (1993) nennt als Symptome der Depression Schlafstörungen, Appetitlosigkeit, Weinen und das Gefühl der Einsamkeit. Depressive Kinder haben wenig Freunde in der Schule, werden oft gehänselt, sie haben ein geringes Selbstwertgefühl. Alle depressiven Kinder haben Schulschwierigkeiten. Sie haben das Gefühl, Versager zu sein, sind unmotiviert, ihre Psychomotorik ist häufig auffällig. 50% von ihnen werden als suizidal eingeschätzt. Ihre Kritikfähigkeit, soziale Kompetenz sowie ihre Fertigkeiten sind stark eingeschränkt. Psychosomatische Beschwerden sind bei rechenschwachen Kindern häufig anzutreffen. Kinder, die unter Schulversagen leiden, sind enormen Stresssituationen ausgesetzt. Aufgrund der irrationalen Rechenstrategien ist die Anspannung höher, sie brauchen für Hausaufgaben bis zu drei Stunden. Zu den kognitiven kommen psychische und psychosoziale Stressoren. Die Entwicklung von psychosomatischen Beschwerden kann somit sowohl als direkte Folge der Dyskalkulie aufgrund kognitiver Stressoren als auch als Symptom der sekundären Neurotisierung aufgefasst werden. 

  

Verhaltensauffälligkeiten

Verhaltensauffälligkeiten können als Neurotisierungssymptome bzw. als deren Folge aufgefasst werden. Im Zusammenhang mit Lernstörungen sind insbesondere Vermeidungs- und Kompensationsstrategien zu beobachten. Strategien der Angstbewältigung und Diskrepanzvermeidung führen häufig zu weiterer sozialer Desintegration. Das Kind versucht, unangenehme – weil angstauslösende – Situationen zu meiden. Es beschäftigt sich nicht mehr mit dem Lerngegenstand Mathematik, kapselt sich von der Umwelt ab, reduziert Sozialkontakte. Immer weitere Generalisierung des Vermeidungsverhaltens kann schließlich zum völligen Rückzug führen. Das Kind versucht, sein Selbstbild, die Reaktion der Umwelt usw. dadurch zu kompensieren, dass es Anerkennung für Kaspern, Aggression usw. erhält. Die schlechte Beurteilung der Umwelt kann zu einer allgemeinen Unfähigkeit zu sachlicher Selbstkritik führen (Diskrepanzvermeidung). Teilweise versucht das Kind durch Rollenspiele, sich von sich selbst zu distanzieren.

 

Allgemeines Leistungsversagen

Allgemeines Schulversagen tritt bei rechenschwachen Kindern häufig erst nach langer Misserfolgsperiode in Mathematik und als Folge sekundärer Neurotisierung sowie des negativen, kindlichen Selbstbildes auf. Die Beurteilung der eigenen Unfähigkeit lässt das Kind auch in anderen Fächern resignieren. Die „erlernte Hilflosigkeit“ hat sich generalisiert und ist zum stabilen Persönlichkeitsmerkmal geworden. Durch Angstabwehr erzeugtes allgemeines Vermeidungsverhalten wird zum Ausgangspunkt für allgemeines Schulversagen. Der weitere Lebensweg des Kindes ist vorgezeichnet. Durch das allgemeine Schulversagen wird das negative Selbstbild bestätigt, die soziale Reaktion der Umwelt führt nicht nur zum „Teufelskreis Lernstörungen“, sondern auch zum „Teufelskreis Neurotisierung“.

Familie, Schule, das gesamte soziale Umfeld des betroffenen Kindes reagiert z.T. mit Fassungslosigkeit, Erstaunen und Unverständnis, dass das Kind „nicht einmal die einfachsten Sachen zusammenrechnen kann“. Dieses wird wiederum vom Kind bemerkt. Sein Lern- und Leistungsversagen ebenso wie seine Reaktion auf dieses Versagen führen in diesem Umfeld zu Konflikten und weiteren Reaktionen, die das Störbild verstärken und stabilisieren. Psychische Beeinträchtigungen können häufig solche Eigendynamik gewinnen, dass sie eher als Ursache denn als Reaktion auf zugrundeliegende Probleme erscheinen. Die Motivation fällt immer deutlicher ab, das Kind zeigt zunehmend Anstrengungsvermeidungsverhalten und sein negatives Selbstbild verdichtet sich immer mehr. Dies verhindert eskalierend die Aneignung mathematischer Kompetenz, wobei das negative Selbstbild vielfach auf außermathematische Leistungsbereiche übertragen wird, so dass sich, ausgehend von der anfangs isolierten Lernstörung im mathematischen Bereich, eine allgemeine Lernstörung entwickeln kann. Die Gründe für die häufig damit einhergehende allgemeine Verhaltensproblematik bzw. Verhaltensauffälligkeit dieser Kinder wird deutlich, wenn man sich die Situation eines betroffenen Kindes vor Augen hält. Sie ist durch jahrelanges Scheitern gekennzeichnet, und das Kind hat keine Möglichkeit, ihr zu entweichen. Erwachsene sind solchen Situationen längst nicht in dieser Häufigkeit und Konsequenz ausgesetzt und zeigen im übrigen vergleichbare Reaktionen (Stress am Arbeitsplatz, Jobmobbing usw.). Es ist von einer hohen Dunkelziffer auszugehen, weil Kinder, die nicht behandelt werden, ab einer bestimmten Stufe der Teufelskreisentwicklung tatsächlich das Bild eines allgemeinen Leistungsversagens aufweisen. Letzteres ist als Grund dafür anzusehen, dass mehr als 35% deutscher Sonderschulüberweisungen sich letzten Endes auf eine nicht erkannte bzw. nicht behandelte Rechenschwäche zurückführen lassen.

  

Entwicklungsdynamnik psychischer Störungen

Eine nicht frühzeitig erkannte und behandelte Rechenschwäche kann zu einer dynamischen Entwicklung weiterer psychischer und Verhaltensstörungen führen. Die begleitenden Symptome der Rechenschwäche – Arbeitsverweigerung, Antriebsschwäche, scheinbare Konzentrationsstörungen, Passivität, Angst, negatives Selbstbild, überhöhte Anlehnungsbedürftigkeit, Unterrichtsstörungen, aggressives Verhalten, Kopf- oder Bauchschmerzen u.v.m. – dienen anfänglich der Bewältigung der Überforderungssituation. Sie können sich jedoch soweit entwickeln, dass sie die Rechenschwäche „überlagern“ und der Zusammenhang mit ihr kaum mehr erkennbar ist. In manchen Fällen kann dies dazu führen, dass die Sekundärsymptome sogar als ursächlich angenommen werden. Die Wahrnehmung des rechenschwachen Kindes, dass andere Kinder das Rechnen schneller und erfolgreicher lernen, dafür Lob erhalten, während ihm entweder mangelnde Intelligenz oder mangelnder Arbeitseifer und Unkonzentriertheit seitens der Eltern und Lehrer, in Form von Spott und Ausgrenzung auch seitens der Mitschüler attributiert wird, wirkt sich negativ auf das eigene Selbstbild aus.

Die ersten Maßnahmen zur Behebung des mangelnden Lernerfolgs – verstärktes Üben zu Hause, Förderunterricht in der Schule, Zunahme des Drucks in Bezug auf die Arbeitshaltung – werden als Bestrafung empfunden, da durch sie die Rechenschwäche nicht behoben werden kann und dementsprechend die Anerkennung für die tatsächliche Leistung des Kindes ausbleibt. Kompensationsversuche gelingen eher selten, da zum einen die Schwäche in einem vermeintlich höherwertigen Bereich besteht, also Leistungen im Sport- oder Kunstunterricht nicht den gleichen Stellenwert haben und zum ander Unterrichtsstörungen zwar zu einer Erhöhung des Ansehens seitens der Mitschüler führen können, aber negative Konsequenzen seitens Lehrer und Eltern mit sich bringen. Das permanente Erleben von Misserfolg im Rechnen, des Misserfolges der ersten Hilfemaßnahmen und des Misserfolges der Kompensations- und Vermeidungsversuche führt in der Regel zu einer negativen Besetzung des Faches Mathematik, zu einer ablehnenden Haltung den Mathematiklehrern gegenüber, zu gravierenden häuslichen Auseinandersetzungen, verbunden mit dem Empfinden von Zurückweisung und Abwendung seitens der Eltern und zu einer erheblichen Schwächung des Selbstwertgefühles. Auf die Ausweglosigkeit der Situation, in der sich rechenschwache Kinder zu befinden glauben, reagieren sie mit weiteren psychischen, auch psychosomatischen Störungen und Verhaltensstörungen, durch die ihre weitere Entwicklung erheblich gefährdet ist, die ihr Leiden verstärken und die eine bleibende psychische Behinderung nach sich ziehen können.

 

Behandlung der Sekundär-Symptomatik

Die beschriebene Dynamik in der Entwicklung der Sekundärsymptomatik erfordert eine Behandlung, die auch im sozialen Umfeld des Kindes interveniert und einen Abbau des Leistungsdruckes im Bereich des Faches Mathematik zum Ziel hat. Die Eltern müssen über die Zusammenhänge der psychischen und Verhaltensstörungen des Kindes mit der Rechenstörung aufgeklärt werden. Dabei ist ihnen die psychische Situation des Kindes zu verdeutlichen, Leistungserwartungen sind zu reduzieren, gemeinsame Zielsetzungen der Maßnahmen sind zu vereinbaren. Insbesondere müssen sie zu förderlichen und hinderlichen Lernhilfen beraten werden. Eine Lehrerberatung sollte eine Aufklärung über die Rechenschwäche und die Dynamik der sekundären Symptome beinhalten. Konkret sollten Lehrer über die Lernmöglichkeiten des rechenschwachen Kindes informiert werden, damit die Leistungen des Kindes unabhängig vom Lernerfolg realistisch eingeschätzt werden können. Des weiteren ist den Lehrern eine Hilfestellung zu geben, auf welche Weise sie die Lernbemühungen des Kindes fördern können. Eine Befreiung von der Benotung ist nach Möglichkeit zu empfehlen.

Ziel ist es, die sekundäre Symptomatik soweit abzubauen, dass das Kind in der Lage ist, sich dem Rechnenlernen wieder zu nähern. Die Schaffung eines Vertrauensverhältnisses, einer Atmosphäre der Annahme – unabhängig von den Ergebnissen der Leistung – und der sachlichen Beschäftigung mit den Defiziten ist notwendig. Das Selbstwertgefühl des Kindes muss gestärkt werden, adäquates Bewältigungsverhalten gegenüber Schwierigkeiten sowie gegenüber Bezugspersonen (Eltern, Lehrer und Mitschüler) ist zu thematisieren und geeignete Lernstrategien sind mit dem Kind zu entwickeln. Je nach Schwere und Entwicklungsgrad der sekundären Symptomatik ist die Anwendung psychotherapeutischer Interventionen zu bestimmen. Dabei ist jedoch darauf zu achten, dass „ganzheitlich“ vorgegangen wird, also sowohl auf der Ebene der Kognition wie auf der der Emotion und des sozialen Verhaltens.

 Die Rechenschwäche / Dyskalkulie

Wichtiges zur Rechenschwäche

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